Von Lissabon in den Frankenwald – Carina auf großer Bikepacking-Tour!

Was für eine Geschichte! Ich freue mich, euch heute die Geschichte von Carina vorstellen zu dürfen. Eigentlich bin ich durch ihren Instagram-Account auf ihre Reise aufmerksam geworden und habe sie dann als stiller Beobachter begleitet. Was für eine Tour: von Lissabon in die Heimat, den Frankenwald – solo bikepacking. Total beeindruckt von dieser Leistung freut es mich umso mehr, diese Geschichte auf dem Blog veröffentlichen zu dürfen. Riesengroßen Dank an dich liebe Carina, dass du deine Eindrücke mit uns teilst!

Kannst du dich den Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?

>>Hey, ich bin Carina, mittlerweile 28 Jahre alt, komme gebürtig aus der Nähe von Naila im Landkreis Hof, wohne nun in München und arbeite als IT Projektmanagerin dort in einer großen Beratung. Vor meiner Zeit in München habe ich mein Masterstudium in Lissabon absolviert. Ich fahre schon immer gerne Fahrrad – früher war es der Weg zur Schule, später das Rennrad und mittlerweile, da ich auch sehr abenteuerlustig bin, ist es das Bikepacking geworden. Seitdem ist es meine liebste Art Urlaub zu machen.
Allgemein bin ich sehr sportverrückt. Skifahren, Triathlon, Laufen, Wandern – all das sind Dinge, bei denen ich mich wohl fühle.<<

Themenübersicht

Von Lissabon nach Marxgrün - wie kommt man auf so eine Idee?

>>Meinen ersten Bikepacking-Trip habe ich schon vor meinem Masterstudium durch Italien gemacht. Durch Corona hatte ich viel Freizeit, und da fiel mir nichts Besseres ein, als eine Radtour zu machen. Während der Pandemie war das Reisen ohnehin schwierig, also dachte ich mir: „Fahrradfahren und im eigenen Zelt schlafen, das kann ich auf jeden Fall trotzdem.“ Das hat mir dann so gut gefallen, dass ich, als ich in Lissabon wohnte, beschloss, von dort nach Hause zu fahren. Im Sommer hatten wir drei Monate Semesterferien. Während alle anderen ein dreimonatiges Praktikum in Banken oder Firmen machten, bin ich in dieser Zeit mit dem Fahrrad von Lissabon nach Marxgrün gefahren. Das war meine Art des Praktikums.
Die Idee entstand einfach daraus, dass ich Zeit hatte. Logistisch passte es auch gut, da ich zu Beginn meines Studiums mit dem Auto nach Lissabon gefahren war und mein Fahrrad dabei hatte. Das Auto blieb dann in Portugal, und auf dem Rückweg habe ich das Fahrrad im Flugzeug transportiert.<<

Wie bereitest du dich auf so eine Tour vor?

>>Ich bin nicht der Typ Fahrradfahrer, der vorher intensiv trainiert, da ich keinen Anspruch an meine Geschwindigkeit habe. Für mich ist das tägliche Treten auf der Fahrt bereits das Training für die Fahrt. Da ich auch eher der Typ bin, der täglich oder am Abend vorher die genaue Route plant, bereite ich mich nur insofern vor, dass ich mich grundsätzlich über die Regelungen in den jeweiligen Ländern informiere, insbesondere bezüglich Wildcampens. Wo muss man aufpassen? Wo sind Highlights, die ich ansteuern möchte? Diese Daten sammle ich in Komoot und Instagram, und das war’s dann auch schon mit der Vorbereitung. Der größte Teil der Planung passiert bei mir während der Fahrt, wo ich mir aus meiner Sammlung (Instagram und Komoot) eine Route zusammenstelle. Früher habe ich es auch mal andersrum probiert und viel im Voraus geplant, aber oft wurden meine Pläne hinfällig, weil mir unterwegs jemand etwas empfohlen hat.<<

Carinas start der Radreise

Wie hast du deine Tagesetappen eingeteilt?

>>Ich hatte eine grobe Idee der Reise: In Portugal wollte ich die Küste hochfahren, dann durch den Norden Spaniens und über die Pyrenäen nach Frankreich. Ursprünglich hatte ich noch überlegt, über Andorra zu fahren. Als ich losfuhr, war mir auch noch nicht klar, ob ich an der Ost- oder Westküste Frankreichs entlangfahren würde, um Deutschland über Belgien oder die Schweiz zu erreichen.
Meine Tagesetappen plane ich meistens erst in der Mittagspause mit Komoot. Morgens fahre ich einfach in die grobe Richtung los und überlege mir mittags, wie weit ich noch fahren möchte. Das hängt davon ab, wie ich mich fühle und was ich noch erleben möchte. Über Google Maps suche ich mir ein grobes Ziel und mögliche Unterkünfte. Da ich meine Tagesetappen spontan plane, variiert die Distanz zwischen 60 und 200 km. Im Schnitt fahre ich etwa 100 km pro Tag – für mich die perfekte Distanz, um genug Pausen zu machen und gleichzeitig Zeit für Sightseeing zu haben.<<

Moment, was? Du hast die ganze Tour alleine gemacht?

>>Ja, ich war alleine unterwegs und bisher auch immer auf Bikepacking-Touren allein. Dieses Jahr plane ich zum ersten Mal eine Tour zu zweit. Anfangs hatte ich ein bisschen Angst beim Wildcampen, aber tagsüber auf dem Fahrrad fühlte ich mich immer wohl. Bei meiner ersten Tour durch Italien habe ich nur auf Campingplätzen übernachtet, weil ich mich damit sicherer gefühlt habe. Allerdings waren viele Campingplätze nicht besonders schön und oft direkt an Hauptstraßen. Zudem war es teuer. Deshalb wollte ich es auf dieser Tour anders machen. Ich habe entweder über Warm Showers übernachtet oder wild gecampt. Anfangs schlief ich sehr schlecht und hatte die wildesten Träume, weil ich ständig dachte, dass Tiere oder Menschen kommen könnten. Vor Tieren hatte ich eigentlich weniger Angst, aber in den Pyrenäen gibt es Bären – das war zunächst eine Herausforderung.
Mit der Zeit wurde ich sicherer. Anfangs habe ich jede dritte Nacht wild gecampt, später immer häufiger. Es war schön zu erleben, wie aus einem ungewohnten Gefühl Sicherheit wurde.<<

Was war dir auf deiner Tour besonders wichtig?

>>Besonders wichtig war mir, die Tour als kulturelle Erfahrung zu sehen. In Italien habe ich nur auf Campingplätzen geschlafen, wodurch ich viel Natur sah, aber wenig Kontakt zu Menschen hatte. Dieses Mal habe ich Warm Showers genutzt, eine Plattform, ähnlich wie Couchsurfing, auf der Radfahrer einander Schlafplätze anbieten. Mal ist es ein Zeltplatz im Garten, mal eine Couch oder ein Gästezimmer. Andersherum biete ich selbst zu Hause auf dem Bauernhof jederzeit einen Schlafplatz an. So entsteht ein Geben und Nehmen, und man gewinnt immer wieder neue Eindrücke.
Ein Highlight war eine Geburtstagsfeier in Belgien, bei der ich spontan eingeladen wurde. Ich saß mit der ganzen Familie an einer langen Tafel und wurde herzlich aufgenommen. Genau solche Momente liebe ich an Warm Showers.<< 

Carinas Rad voll bepackt

Hand aufs Herz, wo war es am schönsten?

>>Am allerschönsten war es in den Picos de Europa, einem kleinen Gebirge im Norden Spaniens. Ursprünglich wusste ich gar nichts darüber, aber einer meiner Warm-Showers-Hosts hatte ein Bild davon in seinem Wohnzimmer hängen. So kamen wir ins Gespräch. Ich fand das Bild einfach traumhaft schön!

Meine Hosts zeigten mir daraufhin mehr über die Region und schickten mir eine empfohlene Route – und was soll ich sagen? Es war einfach unbeschreiblich schön! Die Gegend war menschenleer, überall waren wilde Pferde und Kühe, und ich hatte sogar das Glück, Wölfe zu sehen. Die Gravelwege waren ein Traum, und ich war völlig allein zwischen all den Tieren. Die Geräuschkulisse war unglaublich – das war für mich definitiv das größte Highlight der Tour.<<

Wo war es am anstrengendsten?

>>Das lässt sich leicht beantworten – ich war ja, wie bereits gesagt, in den Pyrenäen. Da ich gerne Berge fahre, habe ich natürlich auch mehrere Pässe erklommen, die unter anderem bei der Tour de France gefahren werden. Das war natürlich super cool, aber mit dem ganzen Gepäck und meinen wenigen Gängen wurde es ziemlich anstrengend. Trotzdem hat es sich jedes Mal definitiv gelohnt – vor allem wegen der Abfahrt danach! <<

Rad fahren im Gebirge

Welcher Moment kommt dir in den Sinn, wenn du an diese Tour zurückdenkst?

>>Es gab so viele verschiedene Momente, dass es wirklich schwer ist, einen einzigen herauszupicken. Eine Geschichte, die ich aber immer sehr gerne erzähle, ist die folgende:

Mitten in Frankreich hatte ich völlig vergessen, dass Sonntag war, und bin abends zu McDonald’s gefahren, um noch irgendetwas zu essen zu bekommen – ich hatte nämlich nichts eingekauft. Dort wurde ich auf mein Rad angesprochen: Wohin ich unterwegs sei, und ob ich nicht Lust hätte, mit dem netten Herrn, seiner Frau und seinem Kind gemeinsam zu Abend zu essen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass der Vater selbst begeisterter Radfahrer ist.

Wir haben uns richtig gut unterhalten, und als ich fragte, ob sie vielleicht einen schönen Campingplatz in der Gegend kennen (ich hatte eigentlich schon einen Platz ins Auge gefasst), boten sie mir spontan an, im Zimmer ihrer Tochter zu übernachten – sie war übers Wochenende bei den Großeltern. So verbrachte ich einen richtig schönen Abend mit der Familie und schlief schließlich in einem rosafarbenen Prinzessinnenbett. Das war ein ziemlich witziges Erlebnis!<<

Was hast du auf die Tour mitgenommen?

>>Eines der schönsten Gefühle am Bikepacking ist zu sehen, wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein. Man hat nur das Nötigste dabei und merkt, dass das vollkommen ausreicht. Zuhause hat man einen vollen Kleiderschrank, aber unterwegs kommt man mit zwei T-Shirts, zwei Hosen und ein paar Socken aus. Diese Entschleunigung ist das, was ich so sehr liebe.<<

Worauf konntest du auf der Tour auf keinen Fall verzichten?

>>So banal es klingt: mein Smartphone. Es hilft bei der Navigation, der Unterkunftssuche und der Kommunikation. Während der Tour ist mein Handy kaputtgegangen, was zu einigen lustigen Situationen führte, aber mein Host in Frankreich hatte zum Glück ein Ersatzhandy für mich. Außerdem: ein aufblasbares Kissen! Schlaf ist essenziell, und mit einem Kissen schläft es sich einfach besser, egal wo.<<

Radwege entlang der Küste

Was rätst du jedem, der eine solche Tour vor sich hat?

>>Ich würde jedem, der eine solche Tour plant, raten, sich nicht zu viele Gedanken zu machen, sondern einfach offen und neugierig loszufahren. Ich bin überzeugt, dass das wirklich jeder kann – man muss weder besonders sportlich sein, noch über besondere Fähigkeiten verfügen, um sich aufs Rad zu setzen und loszufahren. Ob man am Ende 20, 50 oder 100 Kilometer fährt, spielt keine Rolle, solange man für sich selbst unterwegs ist, vorankommt und sich wohlfühlt.

Sobald man einmal gestartet ist, fügt sich alles von allein, vieles ergibt sich unterwegs. Ich würde nicht zu viel im Voraus planen oder mir unnötig Sorgen machen. Immer wieder sieht man Menschen, die von Deutschland bis nach Südafrika radeln – auch Frauen! – und es funktioniert irgendwie immer. Für jede Situation gibt es eine Lösung, und am Ende trifft man fast immer auf hilfsbereite Menschen, die einem weiterhelfen. Das ist zumindest meine Erfahrung.<<

Noch für die Technikfreaks unter uns: mit welcher Ausrüstung warst du unterwegs? Fahrrad, Radcomputer...

>>Das einzig wirklich teure an meiner Ausrüstung war und ist mein Fahrrad. Ich fahre ein Rose Backroad, also ein Gravel-Bike, das ich damals gebraucht gekauft habe, und ich bin ein großer Fan davon. Ich fahre nicht tubeless (auch wenn das in der Community immer wieder heiß diskutiert wird), sondern nutze G-Allround-Reifen von Schwalbe mit Schlauch. Auf meinen beiden Touren hatte ich damit keinen einzigen Platten <knock on wood>.
Einen Radcomputer benutze ich nicht. Ich habe ein altes Handy und navigiere mit Komoot. Für die Zukunft überlege ich aber, mir einen Radcomputer zuzulegen. Da ich während meiner Reisen noch studiert habe, war das Finanzielle natürlich ein Thema, weshalb ich immer auf Low-Budget unterwegs war.
Neben dem Fahrrad bestand meine restliche Ausrüstung aus einfachen aber funktionalen Dingen. Zum Beispiel einer Halterung, mit der ich mein Handy am Lenker befestigen konnte. Das Thema Zelt wird in der Szene ebenfalls viel diskutiert. Dieses Jahr habe ich mir ein richtig gutes Zelt, das MSR Hubba Hubba Bikepack 2, zu Weihnachten gegönnt, aber meine Tour von Lissabon nach Marxgrün habe ich mit einem 20-Euro-Zelt von Lidl gemacht. Und auch das hat tatsächlich super funktioniert, es hat zwei Touren problemlos überstanden!
Meine restliche Ausrüstung ist Standard: Luftmatratze, Schlafsack, wenig Gewicht und wenige Taschen. Vorne zwischen dem Lenker transportiere ich mein Zelt und meinen Kochtopf, in der Rahmentasche befinden sich Werkzeug, Zeltstangen und schwerere Gegenstände, und in der „Arschrakete“ verstaue ich Klamotten und den Schlafsack. Außen hängen dann noch Flipflops dran.<<

Carinas Radreise, zelten am Meer

Du hast auf deiner tour Geld für World Bicycle Relief gesammelt, was ist damit passiert und kann man das weiter unterstützen?

>>Ja, das war mir ein echtes Anliegen. Wenn ich meine Tour schon öffentlich auf Instagram teile, dann soll das auch einen Sinn haben. World Bicycle Relief ist eine Organisation, die mit den Spendengeldern Fahrräder kauft und diese an Kinder und Familien in abgelegenen Regionen Afrikas verschenkt. Aber es ist viel mehr als nur ein Fahrrad: es bedeutet für diese Menschen Freiheit, sei es, um zur Wasserstelle oder zur Schule zu kommen. Ich finde diesen Gedanken einfach wunderschön.
Für mich bedeutet Radfahren auch Freiheit. Man braucht keine Tankstelle und niemanden, um von A nach B zu kommen. Am Ende konnte ich 2.500 Euro sammeln und an die Organisation übergeben. Damit wurden 17 Fahrräder finanziert – das sind 17 Menschen, die dadurch mehr Freiheit haben.<<

Wilde Pferde in den Bergen

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